text for the exhibition metallic (basis projektraum) by maria sitte
Was geben die nebulösen Farbschichten zu erkennen und was schimmert durch sie hindurch? Was bleibt und was verschwindet vom sinnlichen Eindruck, der sich nie final einstellen will? Dies sind Fragen, die sich beim Betrachten der prozesshaften Malerei der Künstlerin Jennifer Bannert stellen. Die Illusion verschiedener Verflüchtigungseffekte ist keine gegebene Qualität, sondern muss durch eine Vielzahl künstlerischer, handwerklicher und industrieller Bearbeitungstechniken hergestellt werden. Herauszufinden, inwieweit das Spiel mit oberflächengebundenen Lichtphänomenen auf die Wahrnehmung einwirkt, ist Teil der künstlerischen Untersuchung.
Als Träger einer abstrakten Malerei unterscheidet sich der Malgrund aus Aluminium von der traditionellen Leinwand. Dieser ist kühl, reflektierend und farbabweisend. Jeder Farbauftrag wird dadurch zum Experiment, wovon die nass glänzenden Partien, die im flüssigen Zustand erstarrt sind, als auch die dunkel aquarellierten Farbflächen zeugen. Dabei lässt der diffuse Farbauftrag wechselnde Assoziationen entstehen: von dichten Nebelwolken, die an altmeisterliche Kunst erinnern, bis hin zu prismatischen Lichtbrechungen. Mit dieser Malerei geht eine gewisse Sinnlichkeit einher, die die Spuren des physischen Malaktes andeutet und im fertigen Werk noch auf die Prozesshaftigkeit seiner Entstehung verweist.
Beim optischen Erfassen der Bilder entgleitet der erste Eindruck allerdings oft. Dabei spielt die Materialität des Bildträgers eine wichtige Rolle. Die reflektierende Aluminiumfläche macht das Bild empfänglich für äußere Reflexionen – mal spiegeln sich darin Betrachter:innen schemenhaft wieder, mal wirken äußere Lichtquellen auf die Oberfläche ein. Jeder Blick auf die Bilder bildet daher nur eine Momentaufnahme ab und eröffnet stetig neue Eindrücke. Letztendlich stellen sich durch dieses optische Zusammenspiel aus Material- und Farbeffekten ephemere Eindrücke wie Glanz, Transparenz und Immaterialität in doppeltem Sinne ein, die sich nicht in Bestehendes einrichten, sondern fortwährend in Bewegung bleiben.
film on the process of painting
concept & text: hyein park
editing: markus rack for seeart tv
video on the exhibition „la forme du ciel“ (opelvillen rüsselsheim | schleuse)
text: alice chardenet
catalogue text on the exhibition afterglow (1822-forum 2019) by christina lehnert
Nach einem Besuch im Atelier der Künstlerin Jennifer Bannert scheint man plötzlich mehr wahrzunehmen: die Reflexionen in den Pfützen auf der Straße oder das Aufblitzen eines reflektierten Lichtstrahls durch ein sich bewegendes Fenster. Phänomene, die in einem Augenblick passieren und im nächsten wieder verschwunden sind oder unmittelbar anders erscheinen.
Ähnlich phänomenologisch sind auch Jennifer Bannerts Arbeiten der Ausstellung afterglow. Aus dem monochromen Dunkel der groben Leinwände scheint etwas zu schwelen, hinter semi-opaken Schleiern wird die Farbe gebannt und entrückt. Der Blick springt von einem Farbton zum anderen, nach vorn und zurück – sobald man meint, etwas fixiert zu haben, verschwimmt diese Errungenschaft zum flüchtigen Moment. Die Farben sind selten hell, sie sind dunkel und schwer. Die helleren Farbfelder sind wie Lichter, die wie Hoffnungsschimmer für Augenblicke im Dunkeln auftauchen.
Die Malereien sind nicht bloße Abstraktionen von Objekten, erfüllen keinen mimetischen Zweck. Vielleicht ist es vielmehr der Moment, bevor man etwas erkennt, den Jennifer Bannerts Werke darstellen. Was wäre, wenn die Gemälde, die auch in Verbindung zu den Fotografien der Künstlerin stehen, den Vorgang des Erkennens selbst festhalten wollten? Wenn sie also eine Art Schwebezustand evozieren, der nicht nur das Dargestellte, sondern auch den Moment der Rezeption bzw. die Suche des Betrachtenden beinhaltet? Genau wie ich den Ölfilm auf der Straßenpfütze betrachte, der nur festgehalten als Fotografie einen Zustand zeigen würde, genauso ephemer sind die vielen Momente in den Arbeiten der Künstlerin. Sie erfüllen zwar alle Voraussetzungen einer Ansicht: Rahmen, Leinwand und Farbe – scheinen sich aber einem Zustand zu entziehen.
opening speech for the exhibition afterglow (1822-forum 2019) by andreas schlaegel
Die Ausgangsidee der Ausstellung besteht in der Zusammenführung von Gemälden und Fotografien. Denn die Künstlerin studiert in Offenbach in beiden Abteilungen und hat in früheren Arbeiten auch versucht, beide Ansätze in einem Werk zu vereinen. Seitdem haben sich aber zwei Ansätze bei ihr entwickelt, die sie parallel verfolgt. Hier haben wir nun erstmals die Möglichkeit, Wechselwirkungen zu betrachten und Beziehungen herzustellen zwischen diesen beiden künstlerischen Ansätzen.
Beginnen möchte ich mit den Fotografien. Die Künstlerin erzählte mir, die Idee für diese Arbeit sei bei einem Besuch des Fischmarkts in Marseille entstanden. Als sie die frisch gefangenen Fische sah, die in großen Wannen angeboten wurden, wollte sie diese fotografieren. Dabei ging es ihr weniger um die einzelne Kreatur, die darauf vorbereitet wird, im Kochtopf zu landen. Sondern um ein konkretes Phänomen, das sie anhand der Fischhäute beobachtet hatte und das sie als ein Nachglühen beschrieb. Frisch gefangen war die Haut der Fische glitzernd geheimnisvoll, durchpulst vom Leben und erschien ihr wie ein schwaches Glühen. Nur kurze Zeit darauf war dieses besondere Ereignis verschwunden. Die Künstlerin beschrieb mir diese Beobachtung als Analogie zur goldenen oder magischen Stunde (also die warme Lichtstimmung, die kurz vor Sonnenaufgang oder vor Sonnenuntergang zu beobachten ist, wenn der flache Einfallswinkel des Sonnenlichts die blauen Töne aus dem Farbspektrum herausfiltert), streng genommen den Moment kurz davor, oder danach, wenn das Licht noch nicht da oder schon gewichen ist, aber die Welt noch mit Farbe durchtränkt erscheint. Um das auf diese Weise beobachtete Nachglühen geht es also.
Die Fotografien, die wir hier sehen, zeigen extreme Vergrößerungen der Häute verschiedener Fischarten, die ohne diesen Hinweis kaum noch als solche erkennbar sind. Vielmehr könnte man an farbige Zeichnungen oder an die Oberflächen von Hi-Tech- Materialien denken, ein Eindruck der durch die Produktionsweise der Künstlerin noch betont wird. Sie druckt die Fotos nämlich nicht auf Fotopapier, sondern per UV-Druck auf dünnes Metall. Dadurch ergibt sich eine Verdopplung – der metallische Glanz der Fischhaut ist nicht nur abgebildet, er wird auch durch die Wahl des Bildträgers materialisiert. An dieser Stelle betreten die Fotografien Jennifer Bannerts Neuland. Sie verlassen den traditionellen Diskurs der Fotografie und brechen in eine andere Richtung auf, die viel weniger mit dem Motiv an sich zu tun hat, als mit dessen Beziehung zu Materialien. Hier sind wir mitten in einer Neuverhandlung eines Bilddiskurses und einer künstlerischen Reflektion von Arbeitsweisen und Materialien. Doch zurück zur Ausgangsfrage: Was glüht nach?
catalogue text for „the biography of things“ by caro feistritzer
In ihren Arbeiten beschäftigt sich Jennifer Bannert mit der Zerbrechlichkeit des Daseins. Sie betrachtet individuelles Leben aus einer Mikroperspektive. Ihre Fotografie pheromon fungiert als ein Vergrößerungsglas, das ein Detail des alltäglichen Lebens zeigt: Motten, die in einer mit Pheromonen präparierten Falle in einem Küchenschrank gefangen wurden. Pheromone sind Sexuallockstoffe, die männliche Motten anziehen und sie qualvoll verenden lassen. Durch den Tod der männlichen Falter wird die Fortpflanzung und somit die weitere Ausbreitung der Motten unterbunden.
Infolge der fotografischen Vergrößerung des in der Realität nur einige Zentimeter großen Klebestreifens wird auf der matten Fotografie ein Relief erzeugt, das den Verwesungsprozess der männlichen Motten verdeutlicht. Indem Bannert das Leiden der Insekten ins Zentrum rückt, verweist sie auf den Anthropozentrismus einer Perspektive, welche Insekten in ein diametrales Verhältnis zum Menschen setzt: Insekten werden als primitive Fremdkörper betrachtet, für die es im zivilisierten Habitat keinen Platz gibt. Die Animosität gegenüber Insekten hat auch in der klassischen Stilllebenmalerei Tradition: In den Still Leven des 16. und 17. Jahrhunderts wurden Insekten immer wieder als Schädlinge betrachtet, als Sinnbilder des Teufels und des Verfalls. Als Lebewesen, die sich durch Metamorphose aus Larve und Puppe entwickeln, künden sie von Verderblichkeit sowie von der Prozessualität des Lebens. Als eindrückliches Beispiel des menschlichen Unbehagens gegenüber Insekten sei etwa Franz Kafkas Erzählung Die Verwandlung genannt, die von Gregor Samsas Mutation in einen Käfer berichtet (1912).
Jüngsten Studien zufolge hat die Masse an Insekten innerhalb von zwei Jahrzehnten stark abgenommen, was bereits Konsequenzen für die Artenvielfalt von Vögeln und Säugetieren hat. Sollte also nicht vielmehr der Mensch Unbehagen bereiten, der dabei ist, die Erde zu einem unwirtlichen Ort zu transformieren? Die Zerbrechlichkeit des Daseins und das Insektensterben, das Bannerts Fotografie vor Augen führt, sind in unserem Zeitalter des Anthropozäns untrennbar miteinander verwoben.