Caro Feistritzer — Catalogue text for „The Biography of Things“
Deutsche Börse Photography Foundation, Frankfurt am Main, 2018

 

In ihren Arbeiten beschäftigt sich Jennifer Bannert mit der Zerbrechlichkeit des Daseins. Sie betrachtet individuelles Leben aus einer Mikroperspektive. Ihre Fotografie pheromon fungiert als ein Vergrößerungsglas, das ein Detail des alltäglichen Lebens zeigt: Motten, die in einer mit Pheromonen präparierten Falle in einem Küchenschrank gefangen wurden. Pheromone sind Sexuallockstoffe, die männliche Motten anziehen und sie qualvoll verenden lassen. Durch den Tod der männlichen Falter wird die Fortpflanzung und somit die weitere Ausbreitung der Motten unterbunden.

Infolge der fotografischen Vergrößerung des in der Realität nur einige Zentimeter großen Klebestreifens wird auf der matten Fotografie ein Relief erzeugt, das den Verwesungsprozess der männlichen Motten verdeutlicht. Indem Bannert das Leiden der Insekten ins Zentrum rückt, verweist sie auf den Anthropozentrismus einer Perspektive, welche Insekten in ein diametrales Verhältnis zum Menschen setzt: Insekten werden als primitive Fremdkörper betrachtet, für die es im zivilisierten Habitat keinen Platz gibt. Die Animosität gegenüber Insekten hat auch in der klassischen Stilllebenmalerei Tradition: In den Still Leven des 16. und 17. Jahrhunderts wurden Insekten immer wieder als Schädlinge betrachtet, als Sinnbilder des Teufels und des Verfalls. Als Lebewesen, die sich durch Metamorphose aus Larve und Puppe entwickeln, künden sie von Verderblichkeit sowie von der Prozessualität des Lebens. Als eindrückliches Beispiel des menschlichen Unbehagens gegenüber Insekten sei etwa Franz Kafkas Erzählung Die Verwandlung genannt, die von Gregor Samsas Mutation in einen Käfer berichtet (1912).

Jüngsten Studien zufolge hat die Masse an Insekten innerhalb von zwei Jahrzehnten stark abgenommen, was bereits Konsequenzen für die Artenvielfalt von Vögeln und Säugetieren hat. Sollte also nicht vielmehr der Mensch Unbehagen bereiten, der dabei ist, die Erde zu einem unwirtlichen Ort zu transformieren? Die Zerbrechlichkeit des Daseins und das Insektensterben, das Bannerts Fotografie vor Augen führt, sind in unserem Zeitalter des Anthropozäns untrennbar miteinander verwoben.