Ramona Heinlein — Catalogue text for the exhibition „Burn On“
Galerie Siedlarek, Frankfurt am Main, 2023

 

Jennifer Bannerts Bilder bannen Wolken, Nebel, Wasser und Licht und strahlen dabei einen düsteren Glamour aus. Gemälde wie la forme du ciel (2020) erzählen mit dem Sternenhimmel von der Faszination für die Grenzenlosigkeit des Universums. Untitled (2019–2022) zeugt von einer atmosphärischen Tiefe, mit schattenhaften, nächtlichen Windungen aus reichem Dunkelblau, Violet, Gelb und Türkis. Das nebelige The Day After (2023) ist von einem diffusen Glanz getragen, der auf der Oberfläche liegt und zugleich aus dem tiefsten Inneren des Bildes zu kommen scheint. Das Bild hat etwas Schwebendes. Es wirkt zart, geradezu gehaucht und immateriell und in den malerischen Gesten und seiner Größe dennoch opulent und monumental. Dabei zieht sich trotz ihrer Schönheit eine beunruhigende Unfassbarkeit durch diese Bilder.

Jennifer Bannert arbeitet mit Malerei und Fotografie. Ihr geht es um das Verhältnis von Mensch und Natur – ein klassisches Thema der Kunst, das gerade mit den aktuellen Auswirkungen des voranschreitenden Klimawandels, mit Bildern von Waldbränden, Artensterben, Überflutungen kaum an Aktualität übertroffen werden kann. Dabei interessiert sich die Künstlerin dafür, was das Erhabene heute bedeuten kann, nämlich einen Kontrollverlust über den Planeten, der sich mehr und mehr ins Bewusstsein drängt. Angesichts der Unermesslichkeit der Natur, die uns immer weiter mit ungewöhnlichen Wetterphänomenen überrascht und in Bedrängnis bringt, wird die eigene Begrenztheit umso deutlicher. Das Erhabene richtet sich an das, was nicht beherrscht werden kann, es gründet sich auf ein Bewusstsein des Mangels. Eine Erfahrung des Staunens angesichts der Schönheit der Natur, die mit einer fundamentalen Destabilisierung einhergeht. Diese Ambivalenz erzeugt die Künstlerin auch in ihren Arbeiten.

Zur Ideenfindung dient Bannert ein persönliches Bildarchiv, das sich aus Landschaftsdarstellungen aus dem 19. Jahrhundert, eigenen Fotografien und Naturbeobachtungen speist. Zuletzt verbrachte die Künstlerin mehrere Monate bei einer Residency in Los Angeles, wo gerade der diesjährige andauernde Smog und Regen zum medialen Dauerthema und zum Sujet ihrer Bilder wurden. In dem dort entstandenen Gemälde Flood (2023) wirkt das Farbmaterial auf dem Aluminiumgrund so, als wäre es erst vor Sekunden aufgetragen, im Fließen erstarrt. Man sieht in dem wilden Schäumen der durchscheinenden Farbschichten, wie sich die Farbe an den Rändern der Formen sammelt oder heruntertropft. Die malerischen Gesten sind zu sich überschneidenden nebligen Wogen aufgetürmt. Ein Leuchten drängt aus dem Bild.

Seit 2019 verwendet die Künstlerin Aluminium als Träger. Zunächst für ihre Fotoserie von Makroaufnahmen irisierender Fischhäute, die kurz nach dem Tod der Tiere noch zu pulsieren scheinen. Dieses Schillern sollte auch physikalisch ins Bild gebracht werden. afterglow heißen die Arbeiten – ein Nachglühen, ein Zwischenraum zwischen Leben und Tod, zwischen An- und Abwesenheit. „Abendleuchten“ bedeutet das englische Wort oder „schöne Erinnerung“. Ein Tag, der kurz vor dem Ende steht, oder etwas, das nicht mehr ganz da ist, aber nachwirkt. Eine Momentaufnahme eines fragilen Zustandes, ein Zeichen der Verletzlichkeit wie der Vergänglichkeit, die sich auch im verwendeten Material niederschlägt. Denn durch den Glanz der Aluminiumplatte verändert sich die Farbwirkung je nach Lichteinfall und Standpunkt des Betrachters. Diese Bilder sind in Bewegung.

Das Malen folgt bei Bannert auf eine konkrete Bildidee, die Farbpalette ist zumeist auf drei bis vier Farben reduziert, deren Zusammenspiel im Vorfeld getestet wird. Gerade auf den Aluminiumträgern behält sich der kalkulierte Prozess doch ein experimentelles Moment vor, da die Farbe nicht, wie auf Leinwand, eingesaugt wird, sondern über die Oberfläche rutscht und somit nicht vollständig kontrollierbar ist. Die Künstlerin nutzt flüssiges Malmedium und arbeitet sich wie beim Aquarellieren von Hell nach Dunkel vor, die hellsten Stellen sind das nackte Aluminium selbst, das für das Leuchten und die barocke Stimmung der Bilder sorgt. Der ungewöhnliche Umgang der Künstlerin mit dem Träger ihrer Malereien gilt auch für die klassischen Leinwände. Hier arbeitet Bannert mit grobem Stoff, der absichtlich unregelmäßig grundiert wird. Auch im fertigen Bild scheint die Gewebestruktur noch stellenweise durch und sorgt für die Tiefe des Bildes, in das man als Betrachtende geradezu hineingesogen wird.

Die Künstlerin entscheidet sich dabei für eine Bildorganisation, die dem menschlichen Auge, das erkennen und überblicken will, ein ungreifbares All-Over entgegenhält. Es gibt keine Unterteilung in Vorder- und Hintergrund. Vergeblich suchen wir klare Linien, die das Gemälde stabilisieren. Ohne figürliche Andeutungen, ohne Halt an Zeichenhaftem, an Zentralperspektivischem vollzieht sich der Eindruck einer vibrierenden Grenzenlosigkeit nicht auf der symbolischen Ebene, sondern durch den Bildaufbau und die Gesten der Malerei. Natur ist hier nicht als objekthafte Szenerie dargestellt, nicht als etwas Klassifizierbares, sondern als etwas Formloses, Unabgeschlossenes. Sie erscheint als Kraft, als Tätigkeit, in ihrem Wirken.

So wenig die Bilder eine kontrollierende Distanz zur Natur einnehmen, so wenig erschöpft sich auch die Bildbetrachtung in einem Davor aus sicherer Position. Vielmehr müssen sich die Betrachtenden, gerade angesichts der glänzenden Aluminiumoberflächen, bewegen und sich dabei selbst sowie den Raum um sich herum automatisch als Bestandteil einer Konstellation wahrnehmen, die sich nicht stilllegen lässt – eine Konstellation, in der der Mensch nur mehr Teil- statt Machthaber ist.